Sonntag, 17. Juli 2016

Mein Geburtsbericht Teil I

Auf die Bitte einer Freundin hin habe ich beschlossen, die Erinnerungen an meine Geburt zu teilen. Ich habe mich für eine natürliche Geburt im Geburtshaus entschieden. Sie ist gut verlaufen. Dennoch wird auch mein Bericht nicht ohne die Schilderung von Schmerzen und Unangenehmem auskommen. Das vorab. Ich möchte aber unbedingt betonen, dass ich fest davon überzeugt bin, dass sich das Geburtserleben für jede Frau anders anfühlt. Nur weil ich Schmerzen hatte, muss das bei dir nicht genau so sein. Nur weil meine Geburt lange gedauert hat, muss sie das bei dir nicht auch. Du kannst eine kurze Geburt haben, die von erträglichen Schmerzen begleitet wird oder vielleicht sogar ohne Schmerzen auskommt, wer weiß. Wenn du dich dafür interessierst, wie ich meine Geburt ohne Ärzte und Medikamente erlebt habe, dann bist du herzlich eingeladen, weiter zu lesen. Vielleicht macht es dir Mut, es selbst auch außerhalb des Krankenhauses zu versuchen.

Ich tippe ab, was ich im Wochenbett ins Tagebuch geschrieben habe und ergänze, woran ich mich noch erinnern kann:

Die letzten Tage waren der Wahnsinn. Mein kleiner Junge ist zur Welt gekommen. Nein, das klingt so passiv. ICH habe ihn zur Welt GEBRACHT. Zwei Tage vorher habe ich mich endgültig fürs Geburtshaus als Entbindungsort entschieden. Richtig wohl war mir trotzdem nicht bei der Sache.
Die letzten Tage vor der Geburt war ich schlecht gelaunt. Auch sehr sensibel gegenüber der Außenwelt, fühlte mich nicht wohl mit anderen Menschen und war dünnhäutig. Also recht ähnlich wie kurz vor meiner Periode.

In der Nacht vor Geburtsbeginn hatte ich einen wundervollen Traum: In meinem Bauch war kein Fruchtwasser mehr, so dass ich alle Körperteile meines Babys fühlen und betasten konnte. Es war so, als hielte ich es schon im Arm. Es reagierte auch auf meine Hände und drehte sich je nach Berührung, war sehr lebendig. Ich konnte sogar seine Stimme hören, seine Laute und auch sein Lachen. Am schönsten: Ich konnte sehen, wie es lächelte -glücklich, vorfreudig kam es mir vor. Zuerst habe ich dem Traum kaum Bedeutung beigemessen. Später hatte ich das Gefühl, dass mein Kleiner sich darüber ankündigen wollte.

Am nächsten Morgen stritt ich heftig mit meinem Mann, wieso er noch kein Babybett besorgt hätte, ich bräuchte unbedingt eins und bestünde darauf. Keine Ahnung, wieso mir das plötzlich so wichtig war. Eigentlich hatten wir uns gegen ein Babybett entschieden.
Nach dem Duschen meinte ich plötzlich, mir unbedingt die Zehennägel schneiden zu müssen. Sehr schwierig mit Babybauch. Am liebsten hätte ich mich auch noch rasiert. Das stellte sich als unmöglich dar, was mich ein bisschen frustrierte.
Mittags holte ich etwas Schlaf nach, die letzte Nacht war -abgesehen von meinem Traum- sehr unruhig gewesen. Grübeleien darüber, was ich noch alles zu erledigen hatte, hatten mich wach gehalten. Getrieben von innerer Unruhe hängte ich mittags endlich das Mobilee auf, das wir schon vor Monaten gekauft hatten. Ich sortierte die Briefablage und beglich alle offenen Rechnungen. Ich machte meine Geburtsvorbereitungen (Damm-Massage und Himbeerblätter-Dampfbad). Kurzum: Ich hatte das Bedürfnis Ordnung zu schaffen, mich vorzubereiten. Ich wurde "nestig".

Nachmittags kam mein Mann ein paar Stunden früher von der Arbeit, hatte sich frei genommen wegen unseres Streits am Morgen. Er wolle nun das Babybett mit mir kaufen. Das wollte ich nun wieder nicht, hatte so ein Gefühl, dass ich lieber zu Hause bleiben sollte. Er überzeugte mich schließlich und ich wollte ja auch dieses Bett! Also fuhren wir in ein Möbelhaus und suchten nach dem passenden Bett. Ich konnte mich für nichts entscheiden, nichts war so wie ich es wollte. Außerdem wollte ich lieber wieder zurück. Auf dem Rückweg hatte ich ein leichtes Ziehen im Bauch.

Als wir endlich in unserem überfüllten Wohnviertel einen Parkplatz fanden und mein Mann die Handbremse zog, platzte die Blase. Ich spüre, wie warmes Wasser an mir runter sprudelt und sage ganz ruhig:"Gerade ist meine Fruchtblase geplatzt." Mein Mann glaubt mir zuerst nicht, denkt ich scherze. Ich sage:"Doch, im Ernst, sie ist geplatzt." Er hilft mir aus dem Auto und wir gehen in die Wohnung. Dort kann er sich davon üverzeugen, dass ich nicht scherze. Meine Hose ist nass.
Ich ziehe mich um und wir legen uns ins Bett. Mein Mann ruft beim Geburtshaus an und erfährt, dass meine Lieblingshebamme Dienst hat. Das sehe ich als Zeichen, wirklich dorthin zu fahren und nicht in das Krankenhaus, in dem wir uns angemeldet haben.

Meine Hebamme kommt, stellt den Blasensprung fest und ertastet, dass der Muttermund bereits 1cm geöffnet ist. Ich muss auch schon Wehen beatmen, die aber noch unregelmäßig kommen. Die Hebamme gibt mir Tipps fürs Atmen. Ich soll mir vorstellen, weit übers Meer zu atmen. Wir verabreden, ab jetzt von Wellen zu sprechen, nicht von Wehen. Ich soll mich noch entspannen, am besten schlafen, gut essen und trinken. Schlafen fällt schwer, ich bin zu konzentriert auf das Geschehen und aufgeregt. Ich mache tiefe Bauchatmung aus einem Buch über Hypno Birthing - blase den Bauch auf wie einen Ballon, wenn die Wehe kommt und atme dann lange und tief aus. Beim Einatmen hilft mir diese Technik sehr, beim Ausatmen nicht. Denn: Beim Ausatmen muss ich den Schmerz zulassen und akzeptieren. Und das gefällt mir nicht. Die Wehen sind nun etwas stärker als Periodenschmerzen -schon recht stark, aber ich kann das noch ertragen.
Ich merke, dass Husten Wehen auslöst. Bin noch angeschlagen von meiner letzten Grippe. Ärgert mich, noch nicht wieder richtig fit zu sein.

Morgens um 5 Uhr rum merken wir, dass die Wegen regelmäßig kommen, ca. alle 5 Minuten. Ich finde sie schon so stark, dass ich ins GH fahren will. Mein Mann schafft mich ins Auto. Er findet GH nicht auf Anhieb, hat sich verfahren. Ich muss mich schon sehr konzentrieren beim Beatmen.
Angekommen im GH, hat die Hebamme schon alles hergerichtet für uns: Kerzen, Aromalampen, schummriges Licht. Alles ist ganz wundervoll heimelig, genau so wie ich es mir wünsche und jetzt auch dringend brauche: Nestgefühl, Höhlengefühl. Wunderbar. Den Raum kenne ich schon aus den Vorgesprächen. Nichts hier ängstigt mich. Keine Apparate, keine klinisch weißen Möbel. Es könnte mein Wohnzimmer sein. Die Hebamme ist ebenfalls sehr entspannt, ihre Stimme so sanft und immer huschen Lachfältchen über ihr Gesicht. Sie freut sich, während ich mich ängstige. Das nimmt mir etwas die Anspannung über das Geschehen.

Meine Wehen nehmen trotzdem erst mal ab. Das sei normal, sagt sie, wegen des Ortswechsels. Wir sollen erst mal ankommen. Wir legen uns in das große Bett unter die Decke. Sie lässt uns alleine und in Ruhe am neuen Ort ankommen. Mein Mann liegt hinter mir, ich halte seine Hand. Wir wissen beide nicht, was da nun alles auf uns zukommt und sind beide nervös. Er versucht, der Starke für uns beide zu sein. Dafür bin ich ihm dankbar, denn ich kann es nun wirklich nicht. Schon jetzt merke ich: Die Atmung reicht nicht, um die Schmerzspitzen erträglich zu machen. Ich suche intuitiv nach einer weiteren Entlastungshandlung. Mal will ich Händchen halten, mal stoße ich seine Hand weg. Letztlich hilft es mir, während der Spitzen einen Arm auf und ab zu bewegen, wie ein Schmetterling. Muss lustig ausgesehen haben, aber es half mir durch diese Phase der Wehen hindurch.

Als die Hebamme das nächste Mal kommt, will ich in die Wanne. Die Schmerzen haben zugenommen. Im Nebenraum, der noch höhlenartiger ausschaut als das Geburtszimmer, steht eine große rote Wanne. Darüber hängt ein Mobilee mit den verschiedenen Sternzeichen. Das gefiel mir schon bei der ersten Besichtigung gut. Das Licht ist aus, nur Kerzen erhellen den Raum. Lavendelduft liegt in der Luft. Ich kann jederzeit in die Wanne steigen, wann immer mir während des Geburtsprozesses danach ist. Meine Musik wird aufgelegt: Mantren aus dem Kundalini Yoga. Das warme Wasser entspannt meinen Körper sehr. Das ändert nichts daran, dass die Wehen immer stärker werden und ich jetzt schon denke, dass ich das nicht mehr lange aushalte. Egal, wie ich mich in der Wanne positioniere, es tut einfach nur sch...weh. Hier stelle ich auch fest, wie müde ich bin. Das ganze Entspannen hilft nicht gegen diese Kraftlosigkeit. Ich scheine keine neue Energie zu tanken, sondern permanent welche zu verlieren. Wie soll ich das mit so wenig Power durchstehen? Mittlerweile haben wir 10 Uhr morgens. Mehr als 12 Stunden seit dem Blasensprung sind bereits vergangen...

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