Montag, 24. Februar 2014

Wenn die Füße die Erde küssen

Neulich war ich auf dem Weg zum Bahnhof, um einen Freund abzuholen. Es war Rush Hour und links neben mir strömten Massen laut hupender Autos vorbei. Ich lief auf einem schmalen Fußweg, auf dem mir schnellen Schrittes Menschen entgegen kamen bzw. mich überholten. Rasch in den Feierabend! Ich war eigentlich nicht spät dran. Ich hatte sogar richtig viel Zeit, weil ich zu früh losgelaufen war. Und doch merkte ich, dass ich innerhalb weniger Minuten schon den halben Weg zurückgelegt hatte. Ich passte mich automatisch der Geschwindigkeit meiner Umgebung an und die war RASEND!

Als Stadtbewohnerin ist mir schon oft aufgefallen, wie schnell ich mitunter durch die Straßen hetze und wie schnell um mich herum alle vorbeihasten. Wenn man die Stadt als einen Organismus betrachtet und die Menschen in ihr als Blutkörperchen (ok, ich habe zu viel Es war einmal das Leben gesehen, als ich klein war), hat sie definitiv ein Herzproblem. Sie leidet unter enormem Bluthochdruck!

Warum sind wir so schnell unterwegs? Ich glaube, es ist nicht nur der Zeitdruck, von einem Termin zum nächsten zu kommen. Es ist vielmehr der allgemeine städtische Rhythmus, der Puls, der die Stadt bestimmt und der einen mitreißt, auch wenn man gerade gar nicht in Eile ist.

Als ich also gar nicht eilig zum Bahnhof eilte und mir auffiel, wie absurd ich mich verhielt, versuchte ich es mit einem Experiment. Irgendwo (leider fällt mir nicht mehr ein, wo) hatte ich über Achtsamkeits-Meditationen gelesen und mir eine bestimmte gemerkt: Man solle versuchen, beim Gehen jeden einzelnen Schritt bewusst zu spüren. Dabei würde es helfen, sich vorzustellen, wie man den Boden mit den Fußsohlen küsst. Jeder Schritt ein Kuss.

Ich probierte es mit diesem Gedanken und bemerkte dabei vier Dinge:

1. Ich wurde sofort deutlich langsamer
2. Mein gesamter Körper entspannte sich nach kürzester Zeit und meine Atmung wurde ruhiger
3. Ich begann zu lächeln, weil der Gedanke, den Boden mit den Füßen zu küssen, so neu war und ich mich ganz schelmisch dabei fühlte ;-)
4. Es fiel mir sehr schwer, diesen Rhythmus beizubehalten!

Zu Punkt 4: Die einzige Person zu sein, die langsam dahinschreitet, während um dich herum alles hastet, ist nicht so leicht auszuhalten, finde ich. Mir war nach wenigen Schritten ganz unwohl zumute, ich kam mir wie das exotische Tier im Zoo vor, das von allen beäugt wird. Man fällt auf, wenn man ein deutlich anderes Tempo an den Tag legt als die Umgebung! Und ich ging ja nicht einfach nur langsam. Durch die Vorstellung, meine Fußsohlen küssten den Asphalt, rollte ich die Füße ganz langsam und bewusst ab. Alle Fußbereiche berührten die Erde, auch die Zehen. Das muss man einmal ausprobieren, um zu verstehen, was ich meine. So sah ich weniger aus wie ein Fußgänger, sondern mehr wie eine Braut, die zum Altar schreitet :-D

Trotzdem lohnt es sich, diese Technik zu üben. Ich habe meine Füße beim Gehen noch nie so bewusst gespürt und es genossen, langsamer zu werden. Und einen 5. Punkt muss ich noch ergänzen: Die Zeit wird gefühlt langsamer, wenn man achtsam geht. Und das kann man in der Stadt doch immer gut gebrauchen, oder?


6 Kommentare:

  1. Hallo Maren,
    eine wirklich schöne Idee, die mich schon beim Lesen schmunzeln ließ. Das werde ich auf jeden Fall versuchen.
    Liebe Grüße und dir einen bewussten Abend
    Sjel

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  2. Mir ist auch aufgefallen daß man sich sehr schnell mitreißen lässt. Als ich im September und Oktober die Auszeit hatte und sehr viel Zeit hatte, ist mir das erst aufgefallen. Ich eilte dahin, hatte aber eigentlich alle Zeit der Welt. Bloß ist es mir dann nicht schwer gefallen einfach langsamer zu gehen, das funktionierte prima, nachdem mir bewusst wurde, was der Stress der anderen mit mir machte. Ich bin dann ganz langsam mit einem Lächeln im Gesicht geschlendert, und das schöne war, daß es Viele wahrgenommen und zurückgelächelt haben. Und die Meisten sind dann auch einen Schritt langsamer gegangen :)

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    1. :-) Ja, das ist ein tolles Gefühl, oder? Einfach etwas langsamer zu gehen, fällt mir auch nicht so schwer. Aber dieses bewusste In-die-Füße-spüren/ Jeden-Schritt-bewusst-erleben fand ich ganz schön gewöhnungsbedürftig. Nix für jeden Tag ;-)

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  3. interessante gedanken. ich bin ja gehbehindert und für mich gibt es keinen einzigen schritt, den ich ohne bedacht setze, weil die anzahl der schritte, die ich tun kann, stark begrenzt ist. früher war es anders und insofern kenne ich beide extreme. es macht allerdings einen unterschied, ob man langsam gehen möchte oder muß....
    dabei fällt mir ein, daß ich, wenn ich meinen rolli selber steuere, auch immer ordentlich gas gebe. aber ich bin allgemein ein - yogisch gesprochen - rajassiger, feuriger typ. ich steh auf geschwindigkeit und so ;)

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    1. :D Einen Feuertypen runter zu drosseln, ist auch nicht unbedingt sinnvoll. Ich habe eine Freundin, die vor Temperament nur so strotzt -für sie ist es ungefähr 10 Sekunden lang spannend, mal langsamer zu gehen/sprechen/handeln -aber dann kommt ihre "Natur" zurück und so ist sie einfach sie selbst!

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