Donnerstag, 31. Oktober 2013

Samhain: 20 Facts about my Grandparents

Pünktlich zu Samhain möchte ich das beliebte Fragespiel "20 facts about me" abwandeln und stattdessen ein bisschen über meine verstorbenen Großeltern erzählen. So stimme ich mich auch gleich auf ihren Besuch heute Abend ein :)

1. Mein Opa mütterlicherseits war vor dem Krieg Hufschmied in einem schlesischen Dörfchen. Er hat Pferde zeitlebens sehr geliebt und wann immer er an einer Koppel vorbei kam voller Zärtlichkeit ihr Fell gestreichelt.

2. Mein Opa war in seiner Jugend wohl ein ausgesprochener Schelm und Charmeur. Meine Oma erzählt heute noch gerne davon, wie er allen Frauen im Ort den Kopf verdrehte und sich nicht auf eine festlegen wollte ;)

3. Vor dem Krieg hat mein Opa dann aber doch etwas näher mit meiner Oma angebandelt. Eine romantische Geschichte ist die, dass die beiden eine winterliche Kutschfahrt zusammen machten und mein Opa meiner Oma die kalten Füße wärmte :)

4. Im Krieg kam mein Opa in russische Gefangenschaft. Es muss eine sehr harte Zeit gewesen sein und das Essen sehr schlecht. Einmal steckte sogar eine Ratte in der Suppe.... :-/ Mein Opa schlug sich durch, weil er handwerklich recht begabt war. Mit einem Freund zusammen trickste er die russischen Wärter aus: Sie machten Gegenstände kaputt, die sie dann später auf Bitten der russischen Wärter reparieren sollten.

5. Mein Opa erzählte nicht viel vom Krieg selbst, von den einzelnen Einsätzen. Allerdings erinnere ich mich, dass er immer wieder betont hat, dass ihn sein Stahlhelm gerettet und er definitiv einen Schutzengel gehabt habe. Es gab wohl eine Situation, in der er in einem Flieger sitzen sollte und aus irgendeinem glücklichen Umstand heraus den nächsten genommen hat. Der erste Flieger wurde dann abgeschossen....Es gäbe mich heute nicht, wenn er ihn genommen hätte...

6. Aus der Gefangenschaft heraus schrieb mein Opa meiner Oma viele Liebesbriefe, die ich als unseren Familienschatz empfinde. Wir haben kein Erbe und nichts Wertvolles, das von meiner Großeltern-Generation übrig bleibt. Aber diese Briefe....die sind einfach unbezahlbar. Hätte es sie nicht gegeben, hätte sich meine Oma während der langen Kriegsjahre und Gefangenschaft womöglich "umorientiert". Ich durfte sie einmal lesen und war erstaunt, wie ernsthaft sie geschrieben waren. Meinen Opa kenne ich nämlich nur als Witzbold ;)

7. Den Erzählungen meiner Mutter zufolge war mein Opa wohl beides: Ein sehr liebevoller, aber mitunter auch sehr strenger Vater. Ich denke, es steckte noch viel preußische Erziehung in ihm und das ist nicht spurlos an meiner Mutter vorüber gegangen.

8. Mein Opa arbeitete nach dem Krieg in einer Eisenfabrik, in der er viel körperlichen Einsatz bringen musste. Wenn er nach Hause kam, war er sehr müde und freute sich auf ein deftiges, typisch deutsches Gericht meiner Oma. Das kriegt er auch heute Abend: Rotkohl, Semmelknödel, (Tofu-)Bratlinge und braune Sauce. Und natürlich ein Malzbier. Apfelkompott zum Nachtisch. Die Tofu-Bratlinge wird er verschmähen und sich drüber amüsieren, fürchte ich. Aber dann hat er eben mal wieder was zu lachen ;-)

9. Mein Opa hat meine Oma "klein gehalten", jedenfalls erzählen das meine Mutter und Tanten. Sie hat nie gelernt, mit Geld umzugehen oder richtig zu schreiben, gearbeitet hat sie auch nie, obwohl sie auf einer Haushaltsschule war mit dem Ziel, im Gastgewerbe zu arbeiten. Das hat ihr viel Freude bereitet. Meine Oma erzählt, dass sie ab und an gerne mal selbst etwas handwerkliches getan hätte im Haushalt, aber mein Opa hätte wohl nur barsch geantwortet "Ach was, geh weg, das kannst du nicht." Nunja, die Rollenverteilung zu dieser Zeit. Ich bin mir sicher, dass mein Opa meiner Oma nichts Böses wollte.

10. Die stärkste Erinnerung an meinen Opa ist bis heute sein herzhaftes Lachen. Uns Kindern hat er auch gerne in den Oberschenkel gekniffen, um uns zum Lachen zu bringen. Dieses unbeschwerte Lachen höre ich bis heute, wenn ich an ihn denke oder mir seinen Beistand wünsche. Es sagt mir: Alles ist gut. Das Leben ist leicht und unbeschwert. Nimm dich nicht so ernst und lach einfach mal.

11. Sein Humor war gern gesehen, konnte aber manchmal auch verletzen. Hier mischen sich nicht so schöne Erinnerungen in die herzlichen, warmen.

12. Mein Opa war definitiv autoritär erzogen und hatte auch selbst eine autoritäre Art an sich. Bestimmt weniger als seine Eltern, aber eben noch deutlich spürbar. Wenn er einer Meinung war, gab es da keine Diskussion, dann war das so, Basta!

13. Mein Opa liebte es, wenn ihm jemand die Füße massierte. Das ist auch das letzte, das ich für ihn getan habe. Ich habe ihm am Sterbebett ein letztes Mal die Füße massiert. Er war schon ziemlich abwesend, aber ich erinnere mich noch sehr gut an seinen dankbaren, genießerischen Blick. Dabei fällt mir gerade auf, dass ich just an den letzten 2 Abenden plötzlich Lust hatte, meinem Freund die Füße zu massieren und das auch ausgiebig getan habe, obwohl das (shame on me) sonst nicht so meine Art ist. Hmmm....

14. In der Nacht nach seinem Tod träumte ich von meinem Opa, wie er mir im Schulbus begegnete und mir versprach, dass er auf mich aufpassen würde. Ich bin so dankbar für diesen Traum.

15. Auch meine Oma hat meinen Opa nach seinem Tod noch einmal wieder gesehen. Sie saß auf ihrem Bett und weinte sehr stark, als sie das Ehebett abzog und seine Sachen verstauen wollte. Plötzlich kam durch das offene Fenster ein kleiner Vogel (ein Spatz?) geflogen und setzte sich auf ihre Schulter. Sie sagt heute, das wäre gewesen, als hätte mein Opa sie beruhigen wollen.

16. Ich hatte Jahre später ein ähnliches Erlebnis mit einem Spatz in unserem Garten. Ich lag auf einer Gartenliege mit nackten Füßen. In der Nähe bemerkte ich plötzlich einen Spatz auf einem Ast. Aus irgendeinem Grund musste ich sofort an meinen Opa denken (vielleicht fiel mir die Geschichte meiner Oma ein). In Gedanken sagte ich zu dem Spatz "Komm doch zu mir, Opa, flieg zu mir!" Und da -schwups- flog der Spatz auf meinen großen Zeh und ließ sich dort ein ganzes Weilchen nieder, bevor er weiter flog!

15. Zu meinen Großeltern väterlicherseits kann ich leider nur wenig erzählen, denn sie sind gestorben als ich noch klein war und mein Vater erzählt auch nur wenig über sie. Über meinen Opa weiß ich so gut wie gar nichts außer dass er meinem Bruder sehr ähnlich sah. Meine Oma wiederum ist mir wohl charakterlich sehr ähnlich gewesen. Leider sind es nicht unbedingt ihre "guten" Eigenschaften, die man mit mir in Verbindung bringt...

16. Auch meine Oma väterlicherseits behauptete, dass mein Opa ein Wildfang war, der sich lange nicht für sie interessiert habe. Eifersüchtig musste sie zugucken, wie er anderen Mädels hinterher lief. Ohje, Eifersucht scheint ein generationsübergreifendes Thema in der weiblichen Linie meiner Familie zu sein...

17. Meine Oma war eine zierliche kleine Frau, die gerne Dirndl trug.

18. Als ich zur Welt kam, waren beide schon beinahe 80. Ich habe sie als recht gebrechlich und müde in Erinnerung.

19. Mein Opa war ein ruhiger, zurückhaltender Typ, eher so wie mein Freund. Dementsprechend wenig eindrückliche Erinnerungen habe ich an ihn.

20. Mein Opa ist an Krebs gestorben, meine Oma an Demenz. Sie hat im fortgeschrittenen Stadium alle möglichen und unmöglichen Dinge in der Wohnung versteckt und wurde aggressiv.

Und noch einen letzten:

21. Das letzte Mal, dass ich meine Oma gesehen habe, war ein guter Tag. Sie hat mich auf der Treppe zum Ausgang noch einmal abgefangen und wollte mir unbedingt die Jacke zuknöpfen. Körperlicher Kontakt zu meiner Oma war für mich ungewohnt, weil ich sie nur selten sah und sie nicht so die "Herzen-und-Küssen-Oma" war. Aber dieses Jacke-Zuknöpfen war ihr wichtig, sie nahm sich viel Zeit dafür, obwohl sie schwer atmete und müde war. Die Knöpfe waren am Ende in den falschen Löchern und die Jacke hing schief, aber ich ließ mir nichts anmerken. Das war ein Abschied und eine liebevolle Geste. Das vergesse ich nicht.

Das war schön, jetzt fühle ich mich meinen Großeltern wieder viel näher. Meinen Opa habe ich übrigens erst vor einer Woche zuletzt "gesehen". Als ich nach England geflogen bin, hatte ich arge Flugangst und niemanden bei mir, der mich hätte beruhigen können. Intuitiv stellte ich mir meinen Opa vor und das half mir enorm. Er saß neben mir am Gang, aß Knoblauchwurst (auch ein Lieblingsessen) und klopfte mir auf den Oberschenkel, um mich aufzulockern. Und immer wieder lachte er sein beruhigendes, herzhaftes Lachen. Es war so, als wollte er mir sagen "Kind, mach dir doch keine Sorgen. Das ist nur ein Flugzeug, das ganz bald wieder landen wird. Ich bin bei dir und jetzt entspann dich mal." Ab und zu saß er sogar draußen auf dem linken "Flügel". Er schnitt sich genüsslich Wurstscheiben ab und lachte in sich hinein. Das hat mich ungemein beruhigt.
 
Ruft ihr euch eure Ahnen auch zu Hilfe, wenn ihr in Not seid? Was wisst ihr noch über sie?

7 Kommentare:

  1. Danke, Maren, für den wunderschönen, nachdenklichen Beitrag! Ich habe meine Großeltern leider nicht kennen lernen dürfen, aber heute ist der richtige Tag, um sich alte Geschichten erzählen zu lassen.

    Alles Liebe,
    Mirjam

    AntwortenLöschen
  2. Das ist eine wirklich gute Idee - 20 Fakten über deine Ahnen zu berichten - das werde ich mir mal in meinem "schlauen Buch" notieren und welche aufschreiben ^^

    Ich erfreue mich immer sehr, Geschichten übner andere Großeltern zu lesen, und sich dann an neue Bruchstücke zu erinnern, die bis dahin verschüttet waren...

    AntwortenLöschen
  3. Gefällt mir auch sehr gut, eine wirklich schöne Idee :-D
    Hab deinen Blog mal abonniert, gefällt mir sehr gut <3
    Liebe Grüße
    Katha

    AntwortenLöschen
  4. Danke ihr lieben <3
    Die Idee hab ich übrigens hier her: http://www.kokonausluft.de/2013/10/16-dinge-uber-meine-groeltern.html -da gibt es noch mehr Großeltern-Fakten ;)

    AntwortenLöschen
  5. Ach, schön! Heute sehe ich deinen Kommentar, in zwei Stunden hole ich meine Oma vom Bahnhof ab. :)

    Dieser religiös-spirituelle Zugang habe ich gar nicht, aber trotzdem tut es mir gut, zu verstehen, wo ich herkomme, das ist dem irgendwie doch sehr ähnlich, denke ich.

    (Bei mir war der Uropa Hufschmied. Und ich das Pferdemädchen.)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo liebes Pferdemädchen ;)
      Ja, das Bedürfnis nach den eigenen Wurzeln haben wir dann doch irgendwo alle, spirituell oder nicht. Ich hoffe, du hattest eine schöne Zeit mit deiner Oma!
      LG, Maren

      Löschen
  6. Das sind wunderschöne Erinnerungen, sehr wertvoll - und tolle Einblicke in Dein sehr persönliches Familienleben, vielen lieben Dank dafür <3

    AntwortenLöschen

Hier kannst du kommentieren...

Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...